Energiewirtschaft und Erneuerbare Energien – Berufschancen für Naturwissenschaftler* & Ingenieure*

Dr. Eva Birkmann, MBA
Dr. Eva Birkmann, MBA
Lesedauer: 7 Min.
Aktualisiert am: 21.03.2024

Atomausstieg, Wüstenstrom, Klimawandel – die Energiewirtschaft ist in aller Munde. Die Branche bietet gute Berufsaussichten und vielfältige Tätigkeitsbereiche für Ingenieure* und Naturwissenschaftler*. Besondere Bedeutung kommt dabei den erneuerbaren Energien zu. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat im Jahr 2000 eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland gelegt. Dieses Gesetz garantierte den Betreibern von Anlagen für erneuerbare Energie feste Einspeisevergütungen, die von den Netzbetreibern gezahlt werden mussten. Das EEG nimmt, basierend auf den bisherigen Erfahrungen, einige Anpassungen in der Vergütung vor. So wird die Förderhöhe nicht mehr staatlich bestimmt, sondern im Wettbewerb durch Ausschreibungen ermittelt.

Im Jahr 2018 betrug der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix in Deutschland 38 %, bis 2025 ist eine Steigerung auf 40–45 % geplant. Kennzeichnend für die Branche der erneuerbaren Energien ist ein hoher Anteil an kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Schon jetzt ist der Export für viele Unternehmen der erneuerbaren Energien ein wichtiges Standbein. Bis 2030 werden sich die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien voraussichtlich verfünffachen, wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) bekannt gibt.

Arbeitsmarkt Energiewirtschaft

Während die Zahl der Beschäftigten in der „klassischen“ Energiewirtschaft eher zurückgeht, sind die erneuerbaren Energien ein starker Wachstumsmarkt. Deutsche Unternehmen sind im Bereich der erneuerbaren Energien Weltmarktführer. Mit der Energiewende in Deutschland ist ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien und somit weitere neue Arbeitsplätze zu erwarten. Auch von einer verstärkten Nachfrage aus dem Ausland wird die Branche profitieren.

Zu den Unternehmen der erneuerbaren Energien zählen sowohl Hersteller als auch Zulieferer und Vertriebsunternehmen, sowie Unternehmen, die mit Wartung und Betrieb von Anlagen betraut sind. Der bisherige Höhepunkt der Branche brachte die Zahl von 399.800 Beschäftigten mit sich und wurde bisher nicht wieder erreicht. Innerhalb von acht Jahren hat sich die Anzahl der Beschäftigten mehr als verdoppelt. Nach dieser Phase ging dann die Anzahl der Arbeitsplätze leicht zurück. Jedoch geht die Bundesregierung trotz kurzfristiger Konsolidierungsphase davon aus, dass die Branche der erneuerbaren Energien weiter wachsen wird. Im Jahre 2016 waren insgesamt 338.500 Menschen beschäftigt.

Für das Jahr 2020 wird damit gerechnet, dass ca. 500.000 Menschen in dem Bereich beschäftigt sein werden.

Beste Chancen für Akademiker*

Wissenschaftler*, Ingenieure* und Techniker* haben beste Chancen in der Energiewirtschaft. Ein wichtiges Merkmal der Branche der erneuerbaren Energien ist der hohe Anteil qualifizierter Mitarbeiter*: In den vergangenen Jahren hatten über 20 % der in der Branche beschäftigten Menschen einen Hochschulabschluss. Zum Vergleich: Im Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche hatten im gleichen Zeitraum nur ungefähr 10 % aller Beschäftigten einen Hochschulabschluss.

Für Ingenieure* verschiedener Fachrichtungen sind die Karriereaussichten in der Branche hervorragend: In allen Bereichen der Energiewirtschaft bzw. der erneuerbaren Energien sind Ingenieure* sehr gefragt, teilweise werden sie sogar händeringend gesucht. Naturwissenschaftler* werden auch geschätzt, insbesondere in den Bereichen Vertrieb, Qualitätssicherung, Service und Marketing.

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Je nach Branche bieten auch Forschung und Entwicklung gute Chancen. Zu einem der wichtigsten Forschungsfelder zählt die Effizienzsteigerung der Anlagen, um sie wirtschaftlicher zu machen und den Anschluss zur Konkurrenz in der Energiewirtschaft nicht zu verlieren.

Branchen in der Energiewirtschaft

Solarenergie

Die Solarenergie-Branche ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen: Rekord war ein Wachstum um 400 % innerhalb von acht Jahren. Auch hier sanken bundesweit die Zahlen der direkten und indirekten Beschäftigten aufgrund des Rückgangs des inländischen Marktes. Dieser Rückgang ist auf die Produktüberkapazitäten und sinkenden Preise zurückzuführen. Zudem gibt es viele kleine Unternehmen in der Energiewirtschaft. Solarenergie setzt sich zusammen aus zwei großen Bereichen: Photovoltaik und Solarthermie. Im Bereich Photovoltaik hat ca. ein Viertel aller Mitarbeiter* laut einer repräsentativen Erhebung einen Hochschulabschluss, im Bereich Solarthermie zwischen 10 und 20 % und in solarthermischen Kraftwerken in etwa die Hälfte. Ferner könnte die Photovoltaik-Branche bis 2050 weltweit sogar 30 – 50 % des Strombedarfs allein decken, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Energy“ prognostizieren.

Ein wichtiges Arbeitsfeld ist die Forschung und Entwicklung bei den Modulherstellern: Um in der Energiewirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Firmen die Solarmodule ständig weiterentwickeln. Der Wirkungsgrad der Solarzellen ist noch steigerungsfähig. Auch die Senkung der Kosten pro Kilowattstunde ist ein wichtiges Forschungsfeld, da die Förderung der Anlagen nach dem EEG stetig gesunken ist und seit dem EEG 2016 schließlich im Wettbewerb ermittelt wird. First Solar, einer der weltweit größten Photovoltaikkonzerne, hat sich das Ziel gesetzt, seine Produktionskosten bis 2020 auf 25 Cent pro Watt zu reduzieren. Andere Unternehmen verfolgen ähnlich ambitionierte Pläne. Heute liegen die Kosten je nach Hersteller und Technologie bei circa 40 bis 55 Cent pro Watt.

Im Mai 2013 hat in Marokko der Bau des weltgrößten Solarkraftwerkes Ouarzazate begonnen, mit einer Kapazität von 160 Megawatt. Der erste Teil ging im Oktober 2015 ans Netz. Dies war der Start für ein umfangreiches Projekt zur umweltfreundlichen Energiegewinnung. Marokko plant, bis zum Jahr 2030 52 % seiner Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sicherzustellen. Der enorme Ausbau in diesem Bereich könnte zudem viele neue Arbeitsplätze schaffen, was der Energiewirtschaft damit auch zugutekommen würde.

Windenergie

Neben der Solarenergie ist die Windenergie der größte Bereich der erneuerbaren Energien. Im Jahr 2018 machte Windenergie anteilig 2,8 % des gesamten Primärenergieverbrauchs aus und zeigte somit großes Wachstumspotenzial auf. Im Jahr 2018 waren insgesamt 112.100 Personen in dieser Branche tätig. Etwas mehr als ein Viertel der Mitarbeiter* aus dem Bereich Offshore-Windenergie hat einen Hochschulabschluss.

In Deutschland ist die Windenergie schon länger beliebt, was dazu geführt hat, dass deutsche Firmen zu den Experten in Sachen Windenergie zählen und auch im Exportgeschäft stark sind. Ein Schwerpunkt in der Windenergie-Branche ist im Moment das Vorantreiben der Offshore-Windparks, also Windkraftanlagen im Meer.

Hier gibt es noch viel zu tun in Forschung und Entwicklung sowie im Anlagenbau. Aber auch im „onshore“ ist einiges los: Die rasante Entwicklung in der Windenergie-Forschung in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass unter dem Stichwort „re-powering“ derzeit viele ältere Windräder umgerüstet werden, um sie effizienter zu machen.

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Geothermie

Bei der Nutzung der Geothermie geht es darum, sich die unterhalb der festen Erdoberfläche gespeicherte Wärme zunutze zu machen, indem man damit Häuser heizt oder Strom erzeugt. Bisher arbeiten etwa 20.300 Menschen im Bereich der Geothermie, aber die Bedeutung der Branche wächst. Zu Boom-Zeiten wuchs die Branche um satte 772 % in acht Jahren und verzeichnete damit das größte (relative) Wachstum der erneuerbaren Energien! Von 2009 bis 2014 ergab sich zudem eine Wachstumsrate von 5,3 % in Gesamtkapazität und Produktion. Besonders im Neubaubereich wird Geothermie immer wichtiger, da sie zu einer klimaschonenden Stadtentwicklung beiträgt. In der tiefen Geothermie sind etwa 30,9 % aller Akademiker*, in der oberflächlichen Geothermie 16,3 % beschäftigt. Ein Berufsfeld ist hier zum Beispiel die Projektierung, bei der der Einbau von Geothermie-Techniken geplant wird.

Wasserkraft

Die Wasserkraft ist derzeit eine der wichtigsten regenerativen Energiequellen in Deutschland. Da die Wasserkraft in Deutschland aber schon lange etabliert ist und mit ausgereifter Technik arbeitet, sind hier keine großen Zuwächse an Arbeitsplätzen zu erwarten.

Bioenergie

Bioenergie wird aus Biomasse gewonnen, zum Beispiel aus Pflanzen oder Gülle. Beste Chancen auf einen zukunftsträchtigen Job im Bereich der Bioenergie haben alle, die agrarwissenschaftliches Hintergrundwissen vorweisen können. Insgesamt sind in den gesamten Bundesländern 105.600 Beschäftigte im Bereich Bioenergie tätig. Davon sind zwischen 29 und 57 % Akademiker (bei Biogas und fester Biomasse weniger, bei flüssiger Biomasse mehr). Im Jahr 2017 machte Bioenergie insgesamt 13,1 % des gesamten Primärenergieverbrauch aus. Zum Jahr 2050 hat sie das Potenzial, 26 % des Bedarfs an Wärme, Strom und Kraftstoffen zu decken.

Den Einstieg in die Energiewirtschaft schaffen

Die Branche der Energiewirtschaft ist spätestens seit dem Störfall im Jahr 2011 im japanischen Kernkraftwerk Fukushima auf dem Vormarsch. Auch die Hochschulen haben die Energiewende erreicht, die inzwischen über 400 Studiengänge in diesem Bereich anbieten. Hierzu zählen Studiengänge, die komplett auf erneuerbare Energien ausgerichtet sind oder eine Spezialisierung im Laufe des Studiums erlauben.

Aber auch motivierte Quereinsteiger aus Natur- und Ingenieurwissenschaften mit einem ausgeprägten Interesse an neuen Techniken und schneller Auffassungsgabe haben gute Chancen in der Energiewirtschaft. Besonders gefragt sind Erfahrung und Spezialwissen. Wer sich für die Branche interessiert, sollte also versuchen, ein Praktikum in diesem Bereich zu absolvieren und entsprechende Seminare zu besuchen.

Die angegebenen Zahlen stammen aus verschiedenen Veröffentlichungen des BMU.

Dr. Eva Birkmann, MBA

Dr. Eva Birkmann, MBA

Dr. Eva Birkmann ist promovierte Naturwissenschaftlerin und Wirtschaftswissenschaftlerin. Als Geschäftsführerin von jobvector ist sie als anerkannte Autorin von Ratgeber-Artikeln zum Thema MINT-Karriere und Fachbeiträgen für Recruiting und Personalwirtschaft tätig.
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