KI bewertet Bewerbungen: Wie du dich vor verstecktem Bias schützt
Künstliche Intelligenz spielt im Recruiting längst eine größere Rolle, als viele Bewerber ahnen. Lebensläufe werden zusammengefasst, Anschreiben analysiert und Unterlagen nach bestimmten Kriterien sortiert. Eine aktuelle Studie (AI Self-preferencing in Algorithmic Hiring Empirical Evidence and Insights, 2025) zeigt dabei ein bisher wenig beachtetes Risiko: Sprachmodelle bevorzugen häufig Texte, die ihrem eigenen Stil ähneln. Das kann dazu führen, dass KI-generierte Zusammenfassungen Vorteile gegenüber menschlich formulierten Texten haben. Für Bewerber stellt sich damit die Frage: Wie schreibe ich meinen Lebenslauf so, dass er fair beurteilt wird, egal ob ein Mensch oder eine Maschine ihn prüft?
Inhalt
Wie KI Bewerbungen heute beeinflusst
Künstliche Intelligenz ist im Recruiting längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern Alltag. Immer mehr Unternehmen setzen große Sprachmodelle (LLMs) ein, um eingehende Bewerbungen vorzusortieren, Lebensläufe zu bewerten und Shortlists zu erstellen. Laut einer Untersuchung gaben bereits 2024 sieben von zehn Unternehmen an, dass sie in den kommenden Jahren KI im Einstellungsprozess nutzen wollen, obwohl viele gleichzeitig einräumen, dass diese Systeme Verzerrungen enthalten können.
Vom Keyword-Matching zur „ganzheitlichen Bewertung“
Frühere Systeme arbeiteten vor allem mit Schlagworten: Tauchten die richtigen Begriffe aus der Stellenanzeige im Lebenslauf auf, stieg die Chance, in die nächste Runde zu kommen. Moderne KI geht darüber hinaus. Statt wie ältere Systeme nur nach bestimmten Schlagworten zu suchen, bewerten moderne Sprachmodelle Lebensläufe umfassender. Sie berücksichtigen den gesamten Inhalt, leiten Absichten aus den Formulierungen ab und treffen Einschätzungen, die über reine Wortübereinstimmungen hinausgehen.
Das bedeutet: Ein Modell betrachtet nicht nur, welche Wörter im Lebenslauf stehen, sondern versucht zu verstehen, was der Bewerber wirklich getan hat, welche Fähigkeiten sich aus den Erfahrungen ableiten lassen und ob die Darstellung insgesamt plausibel klingt.
Wo KI bereits entscheidet
Typische Einsatzfelder sind:
- Executive Summary: KI fasst den Lebenslauf in ein bis zwei Absätzen zusammen, die später als Grundlage für den Vergleich mit anderen Kandidaten dienen.
- Ranking von Bewerbern: Aus einer Vielzahl eingehender Unterlagen erstellt die KI eine sortierte Liste der „besten Matches“.
- Unterstützung für Personaler: Auch wenn die finale Entscheidung oft noch bei Menschen liegt, prägt die Vorauswahl durch KI, wer überhaupt zu einem Gespräch eingeladen wird.
Die Schattenseite
Gerade weil KI Bewerbungen „ganzheitlich“ bewertet, spielt der Schreibstil eine unerwartet große Rolle. Die aktuelle Studie zeigt, dass Modelle Texte bevorzugen, die ihrem eigenen generativen Stil ähneln, selbst wenn die Qualifikationen gleich sind. Die Bewertungen durch KI-Modelle orientieren sich nicht immer vorrangig an der inhaltlichen Qualität der Qualifikationen. Oft spielt die stilistische Nähe zum Sprachmuster des prüfenden Modells eine größere Rolle, sodass Bewerber mit einem ähnlichen Ausdrucksstil bessere Chancen haben.
Für Bewerber heißt das: Wer zufällig denselben KI-Dienst nutzt wie das Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, hat einen systematischen Vorteil.
Was die Forschung zu KI-Bias im Recruiting sagt
Die aktuelle Studie belegt, dass große Sprachmodelle nicht nur menschliche Bewerbungen anders bewerten, sondern dabei auch eine deutliche Selbstbevorzugung entwickeln. Das bedeutet: Ein Modell bevorzugt Texte, die es selbst generiert hat, gegenüber inhaltlich gleichwertigen Texten von Menschen oder anderen Modellen.
Zwei Formen der Selbstbevorzugung
Die Forscher unterscheiden zwei Szenarien:
- Modell gegen Mensch: Hier zeigt sich besonders stark, dass KI-generierte Lebenslaufzusammenfassungen von den gleichen Modellen häufiger positiv bewertet werden als menschliche Texte.
- Modell gegen Modell: Auch wenn ein Modell mit den Ausgaben anderer Modelle konfrontiert wird, tendiert es dazu, die eigene Version zu bevorzugen, wenn auch weniger ausgeprägt als beim Vergleich mit menschlichen Texten.
Folgen für verschiedene Berufsgruppen
In Simulationen wurde überprüft, wie sich dieser Bias auf Bewerbungen in unterschiedlichen Branchen auswirkt. Dabei kam heraus, dass Kandidaten in wirtschaftsnahen Bereichen wie Sales, Finance oder Accounting besonders stark betroffen sind. Dort führte die Nutzung derselben KI wie die prüfende Instanz zu einer um bis zu 60 Prozent höheren Chance, auf die Shortlist zu kommen. In technischen oder kreativen Bereichen wie Ingenieurwesen, Kunst oder Landwirtschaft fiel der Effekt deutlich schwächer aus.
Strukturelle Konsequenzen
Über mehrere Bewerbungsrunden hinweg verstärkt sich der Effekt: Wenn bestimmte Modelle im Screening dominieren, etabliert sich deren Stil als inoffizieller Standard. Dadurch droht ein „Lock-in-Effekt“, bei dem Kandidaten, die keinen Zugang zu den richtigen Tools haben, langfristig systematisch benachteiligt werden. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie zwar schneller sortieren können, gleichzeitig aber Gefahr laufen, qualifizierte Bewerber zu übersehen.
Risiken für Bewerber
Die Forschungsergebnisse lassen sich direkt auf reale Bewerbungssituationen übertragen. Denn sobald ein Unternehmen KI-Systeme in den Screening-Prozess einbindet, entsteht für Bewerber ein zusätzliches Risiko: Ihre Chancen hängen nicht nur von Qualifikation und Berufserfahrung ab, sondern auch davon, ob der Stil ihres Lebenslaufs mit dem des prüfenden Modells übereinstimmt.
Stil statt Inhalt als Risiko
Ein wesentlicher Punkt ist, dass Sprachmodelle dazu neigen, Texte zu bevorzugen, die ihrem eigenen Stil entsprechen. Wer seinen Lebenslauf klassisch formuliert, hat daher möglicherweise geringere Chancen, obwohl er inhaltlich ebenso überzeugt. Damit rückt der Schreibstil stärker in den Vordergrund als bisher.
Unsichtbare Hürden im Bewerbungsprozess
Problematisch ist, dass diese Unterschiede für Bewerber kaum erkennbar sind. Niemand erfährt, ob ein Unternehmen beim Screening ein bestimmtes Modell nutzt oder ob die eigene Formulierung durch das System unvorteilhaft wirkt. So entstehen versteckte Hürden, die nicht mit Leistung oder Erfahrung zusammenhängen, sondern mit technischer Kompatibilität.
Gefahr der einseitigen Vorauswahl
Bewerber laufen Gefahr, schon vor einer menschlichen Sichtung aussortiert zu werden. Damit verlieren sie Chancen auf Vorstellungsgespräche, ohne überhaupt die Möglichkeit zu haben, ihre Kompetenzen persönlich zu präsentieren. Gerade bei stark automatisierten Prozessen kann so eine unfaire Vorauswahl entstehen.
Was das konkret bedeutet
Für Bewerber heißt das: Es reicht nicht mehr, einfach nur die Inhalte korrekt wiederzugeben. Wer die Art und Weise der Darstellung nicht beachtet, riskiert, dass eine Bewerbung übersehen wird. Das macht den Prozess intransparenter und erhöht die Abhängigkeit von Faktoren, die mit der eigentlichen Qualifikation nichts zu tun haben.
Leitfaden für einen KI-robusten Lebenslauf
Damit deine Bewerbung sowohl bei Menschen als auch bei KI-gestützten Systemen überzeugt, lohnt es sich, den Lebenslauf bewusst so aufzubauen, dass Inhalte im Mittelpunkt stehen und nicht der Stil. Die folgenden Schritte helfen dir, die Risiken aus den bisherigen Kapiteln abzufedern.
Schritt 1: Inhalte klar priorisieren
Fokussiere dich auf belegbare Ergebnisse. Schreibe nicht, dass du „sehr erfahren“ bist, sondern zeige es durch konkrete Zahlen, Verantwortungsbereiche oder Projektgrößen. So haben sowohl Menschen als auch Maschinen messbare Anhaltspunkte.
Schritt 2: Struktur logisch und einfach halten
Setze auf eine einheitliche Reihenfolge: Kurzprofil, Berufserfahrung, Ausbildung, Skills. Jede Station sollte mit denselben Elementen beginnen: Position, Arbeitgeber, Zeitraum, gefolgt von 3 bis 5 Kernaufgaben oder Erfolgen. Diese Konsistenz macht den Lebenslauf für KI-Systeme leichter vergleichbar. Für eine übersichtliche Struktur kannst du einen Lebenslauf-Generator oder Lebenslauf-Vorlagen im Internet verwenden.
Schritt 3: KI sinnvoll einsetzen
Wenn du eine KI zur Unterstützung nutzt, gib ihr klare Vorgaben. Definiere zum Beispiel die Länge („maximal 60 Wörter“), untersage Floskeln wie „hochmotiviert“ und bitte um aktive Verben („geleitet“, „entwickelt“, „implementiert“). So stellst du sicher, dass der Text faktenbasiert bleibt und nicht in Werbesprache abgleitet. Besonders hilfreich sind ATS-freundliche Lebenslauf-Generatoren im Internet, die dich unterstützen.
Schritt 4: Doppelt checken
Lass den Lebenslauf von einer zweiten KI prüfen oder noch besser von einer Person gegenlesen. Wenn du zwei Modelle vergleichst und Unterschiede in der Bewertung bemerkst, weist das darauf hin, dass Stilmerkmale einen Einfluss haben. Ergänze dann deine Formulierungen so, dass sie möglichst klar und neutral bleiben.
Schritt 5: Feinschliff auf die Stelle
Passe Keywords aus der Stellenanzeige gezielt an, aber ohne zu übertreiben. Verwende die Begriffe so, wie sie auch im Anzeigentext stehen, vor allem bei Skills, Software oder Methoden. Damit erhöhst du die Wahrscheinlichkeit, dass Screening-Systeme die Relevanz erkennen.
Checkliste für deine Bewerbung
- Stehen in jeder Station belegbare Ergebnisse?
- Ist die Struktur durchgehend einheitlich und nachvollziehbar?
- Vermeidet die Zusammenfassung Floskeln und bleibt faktenbasiert?
- Habe ich die wichtigsten Keywords aus der Stellenanzeige übernommen?
- Wurde der Text von einer zweiten Instanz (Mensch oder KI) geprüft?
